Damit meine ich gar nicht gegenüber dem Hund, sondern eher wie sich das psychisch auf euch und eure Beziehung auswirkt.
Das erste Mal war ganz schlimm.
Ich kam mir vor wie der furchtbarste Hundehalter der Welt, mein Hund hasst mich, wie soll ich damit umgehen, meine heile rosarote Hundewelt ist zusammen gebrochen.
Es hat danach auch tatsächlich recht lange gedauert, bis ich wieder ganz normal und sorgenfrei mit meinem Hund umgehen konnte, da war immer viel Vorsicht und ja, auch Angst mit dabei. Das war das erste Mal, dass ich tatsächlich mit hündischer Aggression konfrontiert war und mein "alle Hunde sind lieb und nett und tun den Menschen nix" in Scherben vor mir lag.
Das zweite Mal war schon weniger schlimm.
Ja, noch immer waren die Gedanken da, schlechtester Hundehalter aller Zeiten, Hund hasst mich, wie soll ich ihm jemals wieder vertrauen,...
Aber ich konnte diesmal die Situation auch analysieren, was ist passiert, warum ists passiert, wie lässt es sich verhindern.
Mittlerweile hab ich aufgehört zu zählen, wie oft mein Hund nach mir geschnappt hat, wie oft seine Zähne Kontakt zu meiner Haut hatten.
Für uns ist es mittlerweile normal, dass er sich so ausdrückt, bei ihm gibts vor dem Zuschnappen nur minimalste Anzeichen (Pupillen vergrößern sich und er wird für ne Millisekunde steif), die wir inzwischen, nach drei Jahren Zusammenleben, auch wahrnehmen, aber eben auch nicht immer.
Carlo kommuniziert so mit uns, das ist halt seine Art zu sagen, dass er - was auch immer - gerade wirklich ungut findet. Ich kann das so als Kommunikation auch einfach annehmen, so wie andere wohl mit einem Knurren oder Beschwichtigungssignalen umgehen würden. Hund bekommt Raum, alles wieder gut. Wenn "was auch immer" gerade sein muss, ändere ich halt meine Taktik, damits angenehmer wird oder es gibt Management, wenn "was auch immer" Zeit hat, gibts einen Trainingsplan, wenn "was auch immer" für mich nicht klar war oder unwichtig ist, dann verschwindets unter "ja mei".
Verändert hat die Aggression gegen mich meine Sicht auf Hunde im Allgemeinen und meinen im Speziellen allerdings wirklich sehr.
Ich schaue sehr viel genauer hin, ich gehe von vornherein lieber lange Umwege, bei uns gibts - außer im aktuen Notfall - kein "da muss er durch".
Ich trainiere übrigens an der Aggression nicht so wirklich direkt herum. Also, da gibts keine harten Konsequenzen, kein Abstrafen, weils für ihn halt so die einzige Möglichkeit ist, die er sieht, um mitzuteilen, was blöd ist.
Was wir üben, sind Alternativverhalten, weggehen (ganz wichtig, man darf nie als gegeben hinnehmen, dass ein Hund schon gehen wird, wenn ihm was nicht passt!), Nein sagen und alles an Managementmaßnahmen (Maulkorb ohne Probleme tragen, sich fixieren lassen, solche Dinge halt).
Wir werden dieses Verhalten aus diesem speziellen Hund nie raus kriegen, dafür sitzt die Strategie viel zu tief.
Aber man lernt, damit umzugehen und die Beziehung zum Hund nicht sofort in Frage zu stellen.
Ähm ja, ist vielleicht ein bisschen länger geworden, als gedacht, aber das ist halt einfach so unser Alltag, da kann ich stundenlang schwafeln.
Es ist beim ersten Mal Schlimm und da darf man sich auch echt blöd fühlen und darüber viel nachdenken und viel reden (das hat mir geholfen, ganz viel darüber reden und schreiben). Die Zeit hilft da. Und nüchterne Betrachtung. Und mehr auf den Hund hören.