Ich würd mich selbst auch als ultimativen Wattebauschler bezeichnen, ich bekomm leuchtende Augen, wenn ich über Lerntheorie schwafeln darf und ich war immer der Meinung, über positive Verstärkung kriegt man alles hin, wer braucht schon die anderen Säulen?
Und dann ist Carlo in mein Leben gepoltert.
Mit Carlo ging anfangs nichts anderes, als +V. Die Stimme erheben, körperliches Blocken oder auch nur ein etwas zu langer oder scharfer Blick und der Hund ist in alle Richtungen explodiert - und das auch immer mit deutlicher Beschädigungsabsicht, weil er dachte, er muss um sein Leben kämpfen.
Ich hab gelernt, dass man über reine positive Verstärkung wirklich unglaublich viel (und ja, ich würd auch so weit gehen, zu sagen, alles) schaffen kann - und trotzdem, als ich das erste Mal nach Monaten erfolgreich meinen Hund durch meine Körpersprache (und damit also -V) von mir wegschicken konnte und er das einfach so angenommen hat, ohne mir ans Leder zu wollen - Halleluja, den Tag vergesse ich glaube ich nie wieder
+V ist großartig und wunderbar und für mich auch immer die Säule, auf die ich am meisten bauen werde, aber manche Dinge lassen sich einfacher und schneller und auch nett über negative Verstärkung lösen. Wenn ich damit meinem Hund das Leben schnell erleichtern kann, wähle ich gerne den Weg, da bin ich ganz bei hasilein75 . Unserer Beziehung hats zumindest nicht geschadet, dass ich meinen Werkzeugkoffer erweitert hab.
Davon abgesehen ists mir ganz wichtig, dass mein Hund lernt, auch mit für ihn unangenehmen und vielleicht auch bedrohlichen Gesten umzugehen. So sehr ich unser einsiedlerisches Leben genieße, wir leben hier nicht im luftleeren Raum und ich hab auch ab und zu gerne mal meine Familie oder Freunde um mich. Und andere Menschen bewegen sich halt mal ungeschickt oder schicken den Hund, der im Weg herumsteht, mal weg oder schauen ihm in die Augen - da ists mir lieber, er lernt von und mit mir, dass sowas auch ganz normal und in Ordnung ist und wie man darauf angemessen reagiert, als dass ich ihn immer in unserer Wattewolke halte und er mir dann, weil ich einmal wo anders hinschaue, wegen einem ungeschickten Schritt Blödsinn anstellt.
Ich finds schwierig, zu definieren, wo Gewalt im Training anfängt, weils eben so individuell ist. Carlo zeigt mir schon deutlich, wo seine Grenzen sind - für ihn ist das Allerschlimmste überhaupt übrigens negative Strafe. "Liebesentzug", wenn ich ihn ignoriere, bricht seine Welt zusammen. Ich denke, er könnte mit einem Knuff in die Seite viel besser umgehen (allerdings wäre das weit über meiner "Wohlfühlgrenze")...
Körperlich werde ich dem Hund gegenüber nur, wenn Lebewesen akut durch sein Verhalten gefährdet werden - wobei ich das auch nicht als positive Strafe sehen würde, denn da ist er so im Tunnel, dass er sowieso nicht lernen kann.
Im Endeffekt definiert mMn der Empfänger, was für ihn nicht tragbar ist, da ists mein Job, hinzuschauen und die Anzeichen zu sehen. Und ich für mich selbst hab natürlich auch Grenzen, über die ich nicht gehen mag, aber auch das sind eben meine, aus meiner Lernerfahrung heraus definiert.