Carlo gehört wohl auch zu den speziellen Fällen.
Es reicht schon, wenn er sich nur entfernt an einen Tierarzt-Besuch erinnert fühlt (weiße Hosen bei Menschen, kaltes Licht, wenn man ein Körperteil intensiver anguckt oder auch nur beim Streicheln mehr hinfühlt) und er geht nach vorne. Und ihm ists da auch wirklich egal, wer in dem Moment an ihm herumfummelt, auch engste Bezugspersonen werden angegangen.
Ich darf mittlerweile manche Dinge schon machen, ich darf die Pfoten berühren und mal für ein paar Sekunden festhalten, ich darf Muskelgruppen befühlen, Ohren und Zähne angucken und im Fell ein bisschen nach Zecken suchen - aber alles nur, wenn es schnell geht und ich wirklich nur gucke, nicht versuche, irgendetwas zu manipulieren und auch nur, wenn die Stimmung gerade passt.
Ehrliche Kommunikation mit dem Tierarzt ist hier auch oberste Maßnahme, wie bei Boerkur
Und da auch nicht irgendwie abwimmeln lassen mit "Jaja, wir können auch mit schwierigen Hunden." Wir hattens schon öfter, dass die TÄ dann plötzlich doch nicht mit "so etwas" gerechnet haben
Direkt danach kommt auch Sicherung, Sicherung, Sicherung.
Unsere Haus-TÄ ist da glücklicherweise ganz großartig. Wir bekommen "Sondertermine", wenn die Praxis eigentlich schon geschlossen hat und sie und die Helferin sind mittlerweile schon gut geübt in Sachen Carlo. Er wird nicht angeschaut oder angesprochen, er wird auch nicht ohne mein OK angefasst. Bevor irgendwas passiert, sprechen wir sehr genau ab, was gemacht wird, wie das abläuft, wer wo steht und welche Handgriffe macht und wanns vorbei ist.
Das gibt uns allen Sicherheit und vor allem ists dann auch schnell vorbei. In der Situation selbst muss nicht nachgefragt werden, was jetzt kommt oder wie man den Hund drehen soll, es wird einfach zack-zack erledigt.
Blutabnahmen und Impfungen machen wir schon sehr routiniert, Carlo kommt freiwillig auf den Tisch, dann halte ich den Kopf, mein Mann nimmt die Vorderhand, die Helferin hält die Hinterhand fest und die TÄ nimmt hinten ab oder spritzt zwischen die Schulterblätter.
Ist die Situation dann vorbei, ists für Carlo auch vorbei und er kann nett sein und von allen Leckerchen nehmen, Tricks vorführen und hat gar kein Problem mehr mit anwesenden Personen. Für ihn wärs mehr Stress, wenn er vorher noch sediert werden würde, als wenn er die paar Sekunden einfach gut gesichert wird. Er ist da aber auch sehr resilient, wär er sensibler, würd ich das anders machen.
Für Notfälle haben wir eine Klinik, die Carlo auch schon kennt. Auch da wird aber telefonisch nochmal darauf hingewiesen, wie er zu händeln ist. Bisher hatten wir glücklicherweise aber auch noch keine schlimmen Notfälle, nur Kleinigkeiten, die schnell mit "einmal Hund gut festhalten" erledigt waren.
Was halt gar nicht geht, ist abtasten, durchbewegen, abhören, Temperatur messen... Das Stethoskop darf den Kopf abhören, aber alles, was hinter die Ohren kommen soll, wird rigoros abgeblockt.
Nichtmal die Physio, die er jetzt seit gut einem Jahr alle zwei Wochen sieht und bei der nix Schlimmes passiert, darf ihn bisher anfassen.
Wie übt ihr Tierarztbesuche?
Aktuell gar nicht, wir hatten bisher genug andere Baustellen, aber das wird unser großes Thema für 2021. Da wirds jetzt langsam Zeit, einen Trainingsplan zu schreiben.
Das (sehr, sehr ferne) Ziel ist, dass Carlo das Meiste ertragen kann, ohne jemanden umbringen zu wollen. Er muss es nicht lieben, er muss dabei nicht fröhlich Regenbögen pupsen, er soll es einfach nur ein wenig besser aushalten können, so dass man das vielleicht ohne drei/vier festhaltende Personen schaffen kann.